Mär 10, 2011

Totalverlust von Alleen ist nicht hinnehmbar !


9. März 2011

Auswüchsen von Straßenausstattern sollte politisch Einhalt geboten werden

Naturschutzverbände kritisieren einseitige Richtlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen (bast) und fordern Umstrukturierung

Bremen – Wardenburg. Als völlig inakzeptabel und einer unverständlichen landschaftsfremden Denkweise folgend bezeichnete der Vertreter des NaturschutzForums Deutschland (NaFor) und der Biologischen Schutzgemeinschaft (BSH) , Prof. Dr. Remmer Akkermann, die nunmehr ministeriell in Anwendung gebrachte „Richtlinie für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS 2009)“. Glaubte man sich bislang befreit von den Normen und radikalen Planungsinstrumenten der aufgelösten Autobahnneubauämter, so liest man hier Ähnliches in Neuauflage aus der Bundesanstalt für Straßenwesen (bast). Da geht es - kurz gesagt - um Bäume, die zu nahe an der Fahrbahn stehen und deshalb bei Neu-, Um- und Ausbau von Bundes-, Land- und Kreisstraßen bei einer zugelassenen Geschwindigkeit von 100 km/h einen Abstand zur Fahrbahn von 12 Metern haben müssen. Nur dann gibt es Landes- und Bundeszuschüsse – so die Regelung zum Beispiel in Niedersachsen. Andernfalls müssen die Kommunen die Sanierung auf eigene Kosten vornehmen, was auch der Fall wäre, wenn sie die Allee unter Schutz stellen.

In der Richtlinie geht es nicht um die rücksichtsvolle Anpassung von Straßensystemen an vorhandenen Baumbestand, vielmehr haben hier vier Angehörige des Referats Straßenausstattung der Bundesanstalt ein Konzept ersonnen, wonach auf unseren Straßen verfahren werden sollte, um mehr Sicherheit für die Autofahrer zu bewirken.

Das erinnert an alte Auseinandersetzungen der Naturschutzverbände gegen die Straßenplaner der sechziger bis achtziger Jahre, die seinerzeit –wie im Falle der B 51- Hunderte von Alleebäumen abholzen wollten, weil sie ja für Autofahrer gefährlich werden konnten und auch „krank“ seien (die Linden stehen dort heute noch in guter Verfassung). Das wurde zum Teil gerichtlich untersagt. Viele Alleen fielen aber im Westen dennoch der Motorsäge zum Opfer. Und das wird mit der Richtlinie noch ungleich schlimmer kommen, prognostizieren die Naturverbände. Das wäre allein schon in den baumarmen Marschgebieten das Aus einer wesentlichen landschaftsbild-bestimmenden Komponente. An der B1 hatte die Straßenbauverwaltung des Landes Brandenburg in den neunziger Jahren gemeinsam mit Ford ein sinnvolles Projekt umgesetzt, das auf den Wert der Bäume und angemessene Fahrweisen hinwies. Gegen Raser und Unvernunft nützen aber auch solche Projekte nichts und auch diese Richtlinie wird daran wenig ändern.

Die Verbände lehnen deshalb die Richtlinie der bast ab, die ohne Rücksicht auf das historische Naturinventar darauf setzt, dass die Bäume aus unserer Landschaft verschwinden müssen. Verschärfend kommt hinzu, dass sich Verkehrsministerien diese ökologisch absurden Vorschläge zu eigen machen, um auch rücksichtsvolle Erneuerungsmaßnahmen an Straßen aus Gründen der zu geringen Abstände oder fehlenden Leitplanken nicht zu subventionieren. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Leitplanken-Industrie, die nach der Wende einen Boom erlebte, sich nunmehr durch eine derartige Richtlinie neue Aufträge erhofft. Und auch für die Bundes- und Landeskassen wäre das ein Grund, die Zuschüsse zurückzuhalten.

Die Naturschutzverbände NaFor und BSH halten es in diesem Zusammenhang bundespolitisch für angezeigt, offensichtlich zu einseitig besetzte Referate entweder um gleichermaßen mitsprache-privilegierte Experten der Landschaftsökologie zu erweitern oder im Bemühen um weniger Verwaltung das Referat gleich ganz aufzulösen. Es wäre auch denkbar, dem Beispiel des Umweltbundesamtes und des Bundesamtes für Naturschutz zu folgen und die Bundesanstalt in ein deutlich personalreduziertes Bundesamt für Straßenwesen umzustrukturieren.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in dem BSH-Merkblatt Nr. 23 Die Flora der Straßen- und Wegränder zum Download im pdf-Format


Quellen:
Ellmers, U., Klöckner, R., Kübler, J. & Zedler, M. (o.J. / ca.2009): Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS 2009).- bast, 26 S., 51427 Bergisch-Gladbach
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS 2010): Einführung der RPS 2009 für Bundesfernstraßen entspr. der EU-Norm DIN 1317 (Rückhaltesysteme an Straßen).- Allg. Rundschr. Straßenbau Nr. 28/2010, Berlin
Landtagsfraktionen CDU / FDP, (Feb. 2011): Niedersachsen ist Land der Alleen – Bestandsschutz und Landschaftsbild wahren.- Nieders. Landtag, Antrag Drs. 16/3309, 2 S.;
MdL Heiner Schönecke (CDU Feb. 2011): Gibt es bald keine Straßenalleen mehr ?- Kleine Anfrage mit Antwort, 4 S.
MdL Renate Geuter u. MdL Sigrid Rakow (SPD, Feb. 2011): Antwort des NMWAV auf die schriftliche Anfrage.- Anlage 13, 2 S., Nieders. Landtag Hannover
Landtagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen (02. Feb,. 2011): Alleen schützen – Landschaftsbild erhalten – Verkehrssicherheit verbessern.- Nieders. Landtag, Antrag, 3 S., Hannover
Kategorie: General
Erstellt von: BSH
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  • Weitere Anlagen der Massentierhaltung in Sondergebieten zusammenfassen –  
    statt die weitere Zersiedlung der freien Landschaft zuzulassen und eine ausgewogene
    Infrastruktur der Kommunen zu behindern. Tierhaltung nur auf der Grundlage einer örtlichen
    flächengebundenen Landwirtschaft.
  • Das Grundstücksverkehrsgesetz novellieren, so dass darin keine Mehrheit aus
    landwirtschaftlichen Interessenvertretern dominiert.
  • Bundeswasserverbandsgesetz so novellieren, dass das Stimmrecht zu Beiräten
    und Vorständen nicht nach flächenmäßiger Betroffenheit,  sondern nach
    Einwohnern bestimmt wird, die im Verbandsgebiet wohnen, individuelle
    Wahlbenachrichtigung ist vorzuschreiben und Briefwahl zu ermöglichen.
  • Freistellung von Entwässerungs-Abgaben (Zwangsmitgliedschaften) für stillgelegte naturnahe oder in Revitalisierung befindliche Flächen.
  • Gesetzliche Hochwasserschutzgebiete auf 200-jährige Spitzen (HQ 200) 
    ausdehnen und darin eine extensive Grünlandwirtschaft vorschreiben; die
    Abstände zu den Gewässern sind auch auf Privatgrundstücken als Brache 
    (artenreiche Saumbiotope  mit Blütenpflanzen) unbewirtschaftet zu lassen
  • Kein Deichbau im Binnenland zulasten ausgewiesen geschützter Schutzgebiete
    (Beispiele: Butjadingen; Rückdeichung wertvollster Areale im Amt Neuhaus/Elbe:
    Sude, Polder Süchau West).
  • Keine ökologisch unvertretbare Fahrwasservertiefungen (z. B. Elbe, Unterweser,  
    Oder), keine Entwässerungen von Feuchtgebieten.
  • Trinkwasserschutzgebiete und Förderbrunnen sind gegen Intensivflächen mit  
    Streifen aus mindestens 150 m breiten Aufforstungen standortheimischer  
    Mischgehölze abzuschirmen, spätestens dann, wenn die EU-Maximalwerte (z.B.   
    für Nitrat) im oberflächennahen Grundwasserhorizont (5 m)  überschritten sind.
    Die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie sind termingerecht umzusetzen,
    ohne den größeren Teil der Gewässer als nicht renaturierbar auszuweisen.
  • Vernetzungen geschützter und schutzwürdiger Lebensräume zu Biotopverbundsystemen  
    (Naturkorridore) mit bundesweitem Vorrang des Ziels Naturschutz stärker fördern, keine
    (anteilige) Löschung von Schutzgebieten und Biosphärereservaten, ohne mit den
    Naturschutzverbänden einvernehmlich doppelt so große  Ersatzflächen in bestmöglicher Nähe
    zum geplanten Eingriff  auszuweisen; das Naturschutzgesetz ist entsprechend zu erweitern,
    weitere Zerschneidungen der freien Landschaft sind zu vermeiden (Beispiel: BAB zusätzliche
    ausgleichspflichtige  Fahrbahnen ja, keine neuen Trassen).
  • Der Anteil der Naturschutzgebiete sollte mit dem mittelfristigen Ziel (15 % der
    Landesfläche) sukzessive vergrößert werden. Löschungen von Schutzgebieten sind zu  
    vermeiden oder ortsnahe auszugleichen.
  • Kompensation von Landschaftseingriffen (Bodenabbau wie Sand- /
    Kiesentnahme, Torfabbau, Deicherhöhungen, Verkehrswege u.v.m.) nur bei
    doppelter Flächenkompensation ähnlicher Wertigkeit der Vegetation ermöglichen 
    (Ländergesetze lassen bislang den Genehmigungsbehörden bis hin zum Verzicht auf die
    Kompensation zu viel  Spielraum). Bundesweites Katatser der Kompensationsflächen ist
    einzurichten und im Sinne der EU-Umweltinformationsrichtlinie öffentlich zugänglich zu
    machen.
  • Natur- und Kulturdenkmäler unterliegen einem besonderen Schutz – auch als
    (unerklärtes) nationales Kulturerbe  - Beispiel:  Zerstörung eines germanischen
    Bohlendamms durch Torfabbaumaschinen im Heeder-/Lohner Moor – Landkreis
    Diepholz).
  • Biologische Vielfalt (Biodiversität) ist durch Artenschutzprogramme gezielt zu
    fördern (z.B. durch das Bundesamt für Naturschutz), und zwar auch in kleiner
    Dimension ohne staatlich repräsentativen oder modellhaften Charakter,  
    Anleitungen bzw. Unterstützungen für die Antragstellung und Verfahrensdurchführung
    sind erforderlich.
  • Förderungskataloge von Routine-Maßnahmen zur Biotopentwicklung sind
    aufzustellen und  gegenzufinanzieren.
  • Begleitung von Planfeststellungsverfahren  (§ 59 BNatSchG) und Ãœbernahme
    von gesetzlich notwendigen Aufträgen durch Bundes-Naturschutzverbände ist 
    pauschal zu finanzieren.
  • Koordinierungsaufgaben der beiden bundesdeutschen Naturschutz-
    Dachverbände NaFor und DNR sind im gesetzlichen Kompetenzbereich
    gleichberechtigt anteilig,  (also nicht wie bisher einseitig)  nach dem
    Organisationsschema der  Landwirtschaftskammern zu finanzieren.
  • Fachlich betroffene Ministerien (BMU / BML / BMI u.a.) müssen die
    Beteiligungspflicht n. § 59 BNatSchG  bis in die unter(st)en angeschlossenen  
    Bundesbehörden (zum Beispiel Wasser-  und Schifffahrtsämter mit Außenstellen)   
    bei allen anerkannten Bundesverbänden umsetzen, es sollte keine Reduzierung
    der Beteiligung durch eine subjektive Vorauswahl getroffen werden dürfen
    (Beteiligung  von 3 Verbänden, dagegen Nichtbeteiligung von 20 anderen – das
    wäre formfehlerhaft), es sei denn, diese möchten ausdrücklich nicht beteiligt   
    werden oder die Verbände einigen sich auf einen Bagatellkatalog. Um die
    Vorgehensweise abzuklären, wären zentrale Gespräche durch die Bundesregierung
    – wie auf Landesebene - anzuberaumen. Reisekosten für staatlich oder
    von Gebietskörperschaften veranstaltete Termine sollten den ehrenamtlichen
    Teilnehmern erstattet  werden.
  • Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind einfacher und für die Bevölkerung 
    leicht verständlich zu gestalten, das Umweltgesetzbuch sollte im zweiten 
    Anlauf verabschiedet werden.

 

 

Verantwortlich:
Prof.  Dr.  Remmer Akkermann
Präsident des NaturschutzForums Deutschland e.V. (NaFor)
Für Rückfragen persönlich erreichbar unter: 
akkermann.remmer @t-online.de  oder Tel.  04407 922201


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