NWZ vom 5.10.2001

"Verfahren ist ein schlechter Witz"

Professor Remmer Akkermann hält wenig von der neuen Vereinbarung zur Gülle-Verteilung

Sein Hauptkritikpunkt ist: Die potentiellen Verursacher von Umweltproblemen kontrollieren sich selbst.

Von Hans Drunkenmölle

NWZ: Herr Akkermann, wie hoch ist das Gülleaufkommen im Oldenburger Land?

Akkermann: Da entsteht Tag für Tag ein gewaltiger neuer Gülle-See. Wenn man pro Schwein durchschnittlich vier Liter pro Tag veranschlagt, so kommt man allein bei dieser Tierart im Kreis Vechta auf ein tägliches Volumen von Millionen Litern, die entsorgt werden müssen.

NWZ: Dieses bisher recht undurchsichtige Verfahren soll durch eine Vereinbarung zwischen den Landwirtschaftskammern Weser-Ems und Hannover und dem Landvolk transparenter werden. Vorgesehen ist ein Lieferschein-Nachweis; das ist doch eine gute Sache - oder?

Akkermann: Prinzipiell ja, aber ich bezweifle, dass korrekte Angaben gemacht werden. Wir haben mit der Glaubwürdigkeit von Tierzählungen schlechte Erfahrungen gemacht. Ich erinnere daran, dass vor zehn Jahren 80 Prozent der Ställe im Kreis Vechta Schwarzbauten waren. Es ist ausdrückliches Ziel der Vereinbarung, den Bau neuer Stallungen zu vereinfachen.

NWZ: Das geht aber nur, wenn ein Bauer durch qualifizierten Flächennachweis belegt, dass er ausreichend Land für die ordnungsgemäße Entsorgung der Gülle hat.

Akkermann: Dieses Steuerungsinstrument hat zu keiner Zeit wirklich funktioniert. Uns sind beispielsweise von den Kreisen Vechta und Emsland bei Genehmigungsanträgen für neue Stallungen Angaben zum Flächennachweis bis heute verwehrt worden, obwohl wir als Naturschutzverband darauf ein Anrecht haben. Dieses Spiel ist leicht durchschaubar. Da müsste die Dienstaufsicht des Landes mal durchgreifen.

NWZ: Kann durch die neue Vereinbarung der Gülle-Tourismus gestoppt werden?

Akkermann: Im Gegenteil: es besteht die Gefahr, dass er weiter ausgedehnt wird. Es gibt keine Regelung, die den Export etwa nach Mecklenburg verbietet - da verliert man schnell die Übersicht. Bei Seuchenfällen ist dann nicht mehr nachvollziehbar, woher die infizierte Gülle gekommen ist.

NWZ: Aber genau das soll ja durch das Lieferschein-Verfahren verhindert werden...

Akkermann: ...die Vereinbarung sagt nur, dass die Gülle nach den Leitlinien guter fachlicher Praxis auf Nutzflächen aufgebracht werden muss. Auch diese Leitlinien werden wenig beachtet. Nach unseren Erfahrungen ist vielfach mehr Gülle als zulässig ausgebracht worden.

NWZ: Trauen Sie den von der Landwirtschaftskammer avisierten Kontrollen nicht?

Akkermann: Dieses Verfahren ist ein schlechter Witz. Es kann doch nicht sein, dass sich potenzielle Verursacher von Umweltproblemen selbst kontrollieren. Das müsste die Bezirksregierung machen.

NWZ: Warum macht die Politik das nicht zum Thema?

Akkermann: Jeder Politiker überlegt, welches Wählerpotenzial bestimmte Interessengruppen stellen. Da gibt es Parteien, die daran interessiert sind, sich mit den Interessengruppen nicht anzulegen. So kommt es zu Duldungen oder Entscheidungen, die ökologisch unvertretbar sind.

NWZ: Welche Form der Tierhaltung favorisieren Sie?

Akkermann: Die Tierhaltung muss an die hiesige Fläche gebunden werden. Jeder Bauer müsste seinen Tierbestand an den für seine Ländereien zulässigen Dungeinheiten orientieren. Dann gäbe es keine Probleme mit Nitrat im Grundwasser. Die Werte steigen lokal dramatisch an.

NWZ: Das stellt der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband anders dar...

Akkermann: ...da wird nicht alles gesagt. Es gibt beispielsweise ein Nitratgutachten für Südoldenburg, das eine andere Entwicklung dokumentiert. Das Wasser in den oberen Grundwasserschichten ist vielerorts erheblich belastet. Das Leitungswasser ist aber in Ordnung.

NWZ: Ist die Forderung nach Umkehr in der Veredelungswirtschaft nicht illusorisch?

Akkermann: Illusorisch ist, was man nicht in Angriff nimmt. Der Kreis Cloppenburg hat die Landesregierung bereits gebeten, tätig zu werden, um der aus dem Ruder gelaufenen Entwicklung endlich Herr zu werden - das spricht doch Bände!


© Copyright 2010 - 2021 - Biologische Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems e.V. (BSH)
BSH-Spendenkonto zugunsten bedrohter Pflanzen und Tiere: LzO, IBAN: DE92 2805 0100 0000 4430 44 BIC: SLZODE22XXX

- Impressum -